Überschuldung und Privatinsolvenzen 2022 in Dortmund

Allgemein

Das verzerrte Spiegelbild:
Überschuldung und Privatinsolvenzen am Beispiel Dortmund

In Deutschland gehört Dortmund zu den Städten mit einer hohen Überschuldungsquote. Mehr als 13 % der Erwachsenen in Dortmund, so schätzen Experten, gelten als überschuldet und können dauerhaft ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen.

Die Entwicklung der Privatinsolvenzen im Stadtgebiet

Mit dem Instrument der Verbraucherinsolvenz sollen sich überschuldete Menschen von ihren Schulden befreien können und einen wirtschaftlichen Neustart erreichen. Der Gesetzgeber hat das Insolvenzrecht im Jahr 2021 für diese Menschen noch attraktiver gemacht und die s.g. Restschuldbefreiung von 5 bzw. 6 Jahren auf 3 Jahre verkürzt. Dies führte dazu, dass Privatpersonen, die von der neuen Regelung profitieren wollten, Anträge im Jahr 2020 zurückgehalten und erst im Jahr 2021 gestellt haben. Die Anzahl der beantragten Insolvenzverfahren ging demnach von 2019 auf 2020 um mehr als die Häfte zurück und erreichte im Jahr 2021 einen neuen Stand von 1150 Verfahren, also eine Steigerung um rund 23 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019.

Wegen der erhöhten Attraktivität wäre zu erwarten gewesen, dass nun deutlich mehr verschuldete Personen ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchlaufen. Die Zahl der Verfahrensanträge für 2022, die nun für Dortmund bekannt wurde, kann diese Vermutung jedoch nicht bestätigen. Mit 1044 Verfahren lag die Zahl mit rund 9 % sogar unter dem Niveau von 2021. Die große Karte zeigt die absolute Verteilung der Verbraucherinsolvenzen im Stadtgebiet nach Postleitzahlen. Deutlich erkennbar ist das für Dortmund typische Nord-Süd-Gefälle.

Wie ist die Entwicklung zu beurteilen?

„Der nur moderate Anstieg der Insolvenzen in Dortmund hat verschiedene, teils gegenläufige Ursachen.“ so Olaf Döneke, Geschäftsführer von CRIF Dortmund. „Einer der wesentlichen Gründe, dass deutlich weniger Verfahren beantragt wurden, als zu vermuten war, liegt in den Kapazitätsengpässen bei den Verbraucherschutzzentralen, die einen Großteil der Betreuungen von Insolvenzinteressierten durchführen. Wartezeiten von mehreren Monaten sind keine Seltenheit, denn durch die Belastung der Verbraucher mit den inflationsbedingten Mehrkosten, wie bei Energie und Lebensmitteln, werden zusätzliche Beratungskapazitäten bei den Verbrauerzentralen angefragt, was zu weiteren Engpässen führt. Die Verbraucherschützer arbeiten den Berg an Fällen mithin erst noch ab. Es ist aber grundsätzlich schon von einer höheren Nachfrage auszugehen, als früher.“

Auf der anderen Seite machen trotz der Attraktivität des schnellen Schuldenerlasses noch immer viel zu wenig Menschen von der Verbraucherinsolvenz Gebrauch. Die Verbraucherschutzzentrale in Dortmund geht von rund 80.000 überschuldeten Menschen in Dortmund aus. Dagegen wirken die 1044 Anträge auf Verbraucherinsolvenz in 2022 schon fast bedeutungslos.

Doch warum führen überschuldete Menschen so selten ein Privatinsolvenzverfahren durch?

CRIF Dortmund hat die wichtigsten Gründe zusammengestellt:

1. Angst vor Stigma

Viele Menschen haben Angst vor dem sozialen Stigma, das mit einer Privatinsolvenz einhergeht. Sie befürchten, dass Freunde, Familie oder Arbeitgeber sie als finanziell unverantwortlich oder als Versager betrachten könnten.

2. Negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit

Eine Privatinsolvenz belastet für eine bestimmte Zeit die Kreditwürdigkeit des Betroffenen. Viele Menschen befürchten, dass sie nach einer Privatinsolvenz Schwierigkeiten haben werden, Kredite zu erhalten oder Waren und Dienstleistungen auf Rechnung zu beziehen. Diese Sorge ist allerdings nur dann berechtigt, wenn bisher keine Eintragungen im Schuldnerregister registriert sind. Überschuldete Menschen haben häufig bereits einen Eintrag im Schuldnerverzeichnis, weil Sie bei einem Gerichtsvollzieher die Vermögensauskunft abgeben mussten. In diesen Fällen führt ein registriertes Insolvenzverfahren nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Kreditwürdigkeit.

3. Verlust von Vermögenswerten

In einigen Fällen kann eine Privatinsolvenz den Verlust von Vermögenswerten bedeuten, die der Betroffene besitzt, wie beispielsweise ein Haus oder ein Auto. Einige Menschen scheuen sich davor, ihre Vermögenswerte aufzugeben und entscheiden sich deshalb gegen ein Privatinsolvenzverfahren.

4. Angst vor den Anforderungen des Verfahren

Das Privatinsolvenzverfahren kann für einige Menschen kompliziert und einschüchternd sein. Sie befürchten, dass sie nicht in der Lage sind, das Verfahren erfolgreich abzuschließen oder dass es zu lange dauern wird. Manche Menschen haben auch längst den Überblick über die einzelnen Schulden verloren und glauben, die Anforderungen nicht ausreichend erfüllen zu können.

5. Mangelnde Motivation

Viele Menschen haben den Überblick über ihre Finanzen verloren oder haben Schwierigkeiten, ihre Ausgaben zu kontrollieren. In solchen Situationen kann es schwierig sein, sich zu motivieren, um eine Verbesserung der finanziellen Situation zu erreichen. Nicht selten ist eine Mentalität des „Kopf in den Sand steckens“ zu beobachten. Ein Insolvenzverfahren erfordert jedoch eine gewisse Anstrengung, um Unterlagen vorzubereiten und einzureichen, und es erfordert auch die Bereitschaft, die eigene finanzielle Situation offen zu legen.

6. Fehlende Perspektive

Wenn die finanzielle Situation sehr prekär ist und auch nach einer Restschuldbefreiung keine substanzielle Verbesserung der Einkommenssituation zu erwarten ist, kann ein Insolvenzverfahren als sinnloses Unterfangen erscheinen. In solchen Fällen kann es als wichtiger wahrgenommen werden, alternative Wege zu suchen, um die finanzielle Situation zu verbessern, als den Aufwand eines Verbaucherinsolvenzverfahren zu betreiben.

6. Fehlendes Wissen

Viele Menschen kennen die Möglichkeiten einer Privatinsolvenz nicht oder haben Schwierigkeiten, sich das Wissen anzueignen oder Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nicht selten sind auch sprachliche Hürden der Grund, warum der Gang zur Verbraucherschutzberatung gemieden wird.

7. Häufig Mix aus verschiedenen Gründen

Häufig ist es ein Mix aus verschiedenen Punkten, warum überschuldete Menschen das Instrument der Verbraucherinsolvenz nicht nutzen. Besonders die Punkte 4 bis 7 treten zumeist in Kombination auf.