Armut und Überschuldung –
Warum ist die Unterscheidung für Gläubiger relevant?

Ein Artikel von Olaf Döneke, 21.05.2025

Wie DER PARITÄTISCHE Gesamtverband in seinem Ende April 2025 veröffentlichten Armutsbericht darlegt, ist fast jede sechste Person in Deutschland von Armut betroffen. Demnach müssen im Jahr 2024, so der Bericht, 15,5 Prozent der Bevölkerung zu den Armen gezählt werden.

Für uns als Inkassounternehmen und Wirtschaftsauskunftei ist die Überschuldung privater Haushalte ein zentrales Thema. Zahlungsstörungen, Forderungsausfälle und Bonitätsrisiken hängen eng mit der finanziellen Leistungsfähigkeit der Schuldner zusammen. Häufig werden dabei die Begriffe „Armut“ und „Überschuldung“ nahezu synonym verwendet.

Eine differenzierte Betrachtung dieser beiden sozialen Phänomene ist jedoch unerlässlich – nicht zuletzt aus Sicht des Gläubigerschutzes und der Risikoprävention.

Was ist der Unterschied?

Armut wird in Deutschland offiziell über die sogenannte Armutsgefährdung definiert: In dieser nicht unumstrittenen Klassifizierung, welche auch DER PARITÄTISCHE Gesamtverband zugrunde legt, gilt als armutsgefährdet, wer weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Bevölkerung zur Verfügung hat; umstritten deshalb, weil die Definition allein auf statistischen Einkommensgrenzen basiert und Dimensionen wie materielle Entbehrung, Wohnverhältnisse, soziale Teilhabe, usw. unberücksichtigt lässt.

Überschuldung hingegen beschreibt einen konkreten finanziellen Zustand, in dem ein Mensch seine laufenden Zahlungsverpflichtungen dauerhaft nicht mehr erfüllen kann. Im Jahr 2024 lag die Überschuldungsquote bei rund 9 % der erwachsenen Bevölkerung.

Warum diese Unterscheidung für Gläubiger wichtig ist!

Für Gläubiger ist nicht die Armutsgefährdung entscheidend, sondern die tatsächliche Rückzahlungsfähigkeit eines Schuldners. Hier zeigt sich:

Nur ein Teil der armutsgefährdeten Personen ist tatsächlich überschuldet. Schätzungen zufolge überschneiden sich Armut und Überschuldung in etwa 30 bis 50 % der Fälle. Das bedeutet: Rund 11 bis 12 Millionen Menschen mit geringem Einkommen sind nicht überschuldet – sie zahlen also weiterhin regelmäßig ihre Verbindlichkeiten.

Diese Erkenntnis ist für die Risikobewertung und das Forderungsmanagement von hoher Bedeutung: Bonität ist also nicht ausschließlich vom Einkommen abhängig, sondern auch von Konsumverhalten, Haushaltsführung, sozialem Umfeld und vor allem vom individuellen Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein. Viele Menschen mit niedrigem Einkommen verfügen über eine hohe Zahlungsdisziplin und vermeiden bewusst neue Schulden.

Ursachen von Überschuldung

Aus Sicht der Gläubiger besteht die Herausforderung darin, echte drohende Zahlungsausfälle frühzeitig zu erkennen und differenziert zu bewerten. Häufige Ursachen von Überschuldung sind:

  • plötzlicher Einkommensverlust (z. B. Arbeitslosigkeit oder Trennung)
  • krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit
  • überzogene Konsumkredite und mangelnde Finanzbildung
  • ungeordnete Haushaltsführung

Fazit: Differenzierung schützt Gläubigerinteressen und Verbraucher

Die Unterscheidung zwischen Armut und Überschuldung ist mehr als eine akademische Diskussion – sie ist ein praktisches Werkzeug zur Risikoeinschätzung und Forderungsbearbeitung.

So ist es insbesondere für Inkassodienstleister entscheidend, die Rückzahlungswahrscheinlichkeit von Schuldnern nicht nur auf Grundlage von Einkommensdaten, Bezügen oder Transferleistungen zu bewerten, sondern zu ergründen, ob jemand nicht nur zur Rückzahlung fähig, sondern auch dazu bereit ist.
In der Praxis zeigt sich, dass oftmals Menschen mit sehr geringen Einkünften trotzdem an der Forderungstilgung interessiert sind, wenn ihnen realistische Rückzahlungsvorschläge unterbreitet werden.

Eine systematische und faktenbasierte Bonitätsprüfung von Verbrauchern ist für Gläubiger unerlässlich, um finanzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und ihre Kreditvergabe verantwortungsbewusst zu gestalten. Gleichzeitig wird damit finanziell zuverlässigen Verbrauchern, selbst bei schwacher finanzieller Leistungsfähigkeit, eine uneingeschränkte Teilnahme am Wirtschaftsleben ermöglicht.